Dienstag, 23. August 2016

Wechselwirkungen

Wieso die Pampelmuse im Beipackzettel auftaucht

Manche Lebensmittel können die Wirkung von Medikamenten verändern, sodass sie gar nicht mehr oder viel zu stark wirken. Hier lesen Sie, wann Milch, Kaffee oder Grapefruitsaft keine gute Wahl sind.
Mit Milch sollte man Medikamente nicht unbedingt einnehmen - Antibiotika etwa verlieren dadurch ihre Wirkung.
Medikamente lassen sich nicht beliebig kombinieren. Das ist bekannt, Wechselwirkungen sind in der Regel auf dem Beipackzettel aufgeführt. Was viele Menschen jedoch nicht wissen: Auch Nahrungsmittel können die Wirkung von Arzneien beeinträchtigen.
Wissenschaftler haben in den 90er Jahren zufällig entdeckt, dass Pampelmusen die Wirkung bestimmter Arzneien im Körper beeinflussen. Die Forscher hatten Testpersonen in einer Studie ein Medikament zusammen mit Grapefruitsaft gegeben, damit die Pillen besser schmeckten. Der Effekt: Mit Saft war die Konzentration des Wirkstoffes im Körper höher als ohne.

Medikamente können bei vollem Magen besser wirken

So richtig erforscht ist der Zusammenhang zwischen Essen, Trinken und Arzneien allerdings noch nicht. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat zwar gut 1400 Wechselwirkungen in ihrer Datenbank erfasst. Aber nur ein kleiner Teil davon bezieht sich auf die Ernährung.
Jede eingenommene Arznei gelangt zunächst in den Magen und dann in den Dünndarm. Von hier erreichen die meisten Wirkstoffe den Blutkreislauf. Ist der Magen leer, geht das schnell. Ist der Magen voll und die Nahrung fettreich, werden verläuft der Prozess oft langsamer. Manche Arzneien werden dann vermindert aufgenommen, etwa einige Antibiotika wie Tetracycline oder das Bluthochdruck-Medikament Captopril. Fettlösliche Wirkstoffe hingegen werden verbessert aufgenommen.
Den umgekehrten Effekt gibt es auch: Essen im Magen lässt Medikamente besser wirken. So zum Beispiel bei Spironolacton, einem Mittel gegen Herzschwäche, oder bei den Epilepsiemitteln Phenytoin und Carbamazepin. Auch einige Medikamente gegen Bluthochdruck, sogenannte Betablocker wie Propanolol und Metoprolol, wirken zusammen mit der Nahrung stärker.
Problematisch wird das, wenn die empfohlene Dosis der Medikamente sich auf einen leeren Magen bezieht. Dann kann die langsamere Aufnahme unerwünschte Folgen haben.

Bekannte Wechselwirkungen stehen auf dem Beipackzettel

Andere Medikamente sind mit Essen verträglicher: Das Schmerzmittel Acetyl-Salicyl-Säure (ASS) zum Beispiel sollte nicht in einem leeren Magen landen, weil es die Schleimhäute reizt.
Wissen die Hersteller um die Wechselwirkungen zwischen Arznei und Ernährung, müssen sie diese im Beipackzettel festhalten. Dort können Patienten nachlesen, welches Speisen und Getränke sie mit bestimmten Medikamenten nicht kombinieren sollten.

Milchprodukte

Wer Medikamente gegen Bakterien einnimmt, sollte Milch, Quark, Käse und Joghurt meiden. Denn Antibiotika wie Tetracycline oder Gyrasehemmer verbinden sich mit dem Kalzium der Milchprodukte. Es bilden sich kleine Verbindungen aus dem Mineral und den Arzneimolekülen, die dann zu groß sind, um durch die Darmwand zu passen. Die Folge: Die Antibiotika können nicht aufgenommen werden und verlieren ganz oder teilweise ihre Wirkung.
Milch behindert auch Fluoride oder Bisphosphonate, diese Mittel werden gegen Osteoporose oder Tumorleiden verschrieben. Dann kann der Körper die Medikamente nur noch teilweise verwerten. Dasselbe gilt für das Krebsmedikament Estramustin und das Schilddrüsenhormon Levothyroxin.
Die genannten Medikamente sollten mit Leitungswasser oder kalziumarmem Mineralwasser eingenommen werden. Kalziumreiches Mineralwasser ist nicht geeignet, weil sich wie bei der Milch Verbindungen bilden können. Patienten sollten jeweils zwei Stunden vorher und nachher keine Milchprodukte zu sich nehmen. Magnesium und Eisen wirken übrigens ähnlich hemmend wie das Kalzium der Milch.

Vitamin K

Vitamin K schwächt den Effekt von einigen Medikamenten ab. Dazu gehören zum Beispiel blutgerinnungshemmende Medikamente, sogenannte Antikoagulantien. Sie helfen, Thrombosen vorzubeugen. Vitamin K ist in großen Mengen in Blumenkohl, Brokkoli, Avocado, Grünkohl, Spinat, Erbsen, Bohnen sowie in Sojabohnen, schwarzem Tee und Leber enthalten. Für Patienten, die diese Medikamente einnehmen, besteht kein Grund, auf Vitamin-K-reiche Lebensmittel zu verzichten. Extrem einseitige Kostformen und hohe Vitamin-K-Zufuhren über Nahrungsergänzungsmittel sind aber zu vermeiden. In klinischen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass der Vitamin-K-Gehalt einer konstant eingehaltenen abwechslungsreichen Kost die Wirksamkeit einer Therapie nicht oder nur unwesentlich beeinflusst.
Gemüse, Obst und Vollkornprodukte passen nicht zusammen mit Schmerzmittel Acetyl-Salicyl-Säure (ASS) oder mit bestimmten Penicillin-Arten. Die Ballaststoffe können aufgrund ihrer Quelleigenschaft die Aufnahme der Arzneien hemmen - und so deren Wirkung schwächen. Tabletten also nicht zusammen mit Müsli einnehmen.

Eiweiß

Eiweiß setzt sich aus vielen kleinen Bausteinen zusammen, unter anderem aus sogenannten Aminosäuren. Auch der Körper bildet solche Amine. Sie sind beispielsweise Grundstoff für Neurotransmitter oder sie beeinflussen den Blutdruck. Medikamente, die in den Stoffwechselkreislauf dieser körpereigenen Amine eingreifen sollen, wechselwirken auch mit den Aminen aus eiweißhaltigen Lebensmitteln. So können Eier und Käse problematisch werden, wenn zum Beispiel Medikamente gegen Depressionen oder Tuberkulose einzunehmen sind.
Streng auf ihre Ernährung achten müssen Patienten, wenn sie Mittel gegen Depressionen einnehmen, genauer: sogenannte nichtselektive MAO-Hemmer, das sind Mono-Amin-Oxidase-Hemmer. Die Arznei blockiert den Abbau von Aminosäuren.
Bei diesen Medikamenten sollten Patienten alle Lebensmittel, die Tyramin enthalten, meiden. Sonst steigt ihr Blutdruck, es kann sogar zu Hirnblutungen mit tödlichem Ausgang kommen. Tyramin ist vor allem in eiweißreichen Lebensmitteln enthalten, die länger gelagert wurden: in weißen Bohnen, Hefe, einigen Käsesorten, Salami, Sojabohnen, Rotwein, besonders in Chianti, und in einigen Biersorten.
MAO-Hemmer vertragen sich auch nicht mit einem weiteren Amin: dem Histamin. Es steckt in einigen Fischarten oder in Käse, etwa in Makrelen, Thunfisch oder in Cheddar.
Dieselben histaminhaltigen Lebensmittel sollten auch Tuberkulosekranke meiden, die den Wirkstoff Isoniazid einnehmen. Denn das Medikament hemmt den Abbau von Histamin. Die Gefahr bei Isoniazid und histaminhaltigen Lebensmitteln: Das Herz der Betroffenen kann anfangen zu rasen, sie können Kopfschmerzen bekommen oder ihnen wird übel.

Alkohol

Wer Tabletten einnimmt, sollte auf Bier, Wein und Schnaps verzichten. Denn Alkohol dämpft das zentrale Nervensystem. Er verstärkt so die Wirkung von Medikamenten mit ähnlichem Effekt.
Größere Mengen Alkohol hindern den Körper daran, Arzneien abzubauen und auszuscheiden. So verstärken Bier, Sekt, Wein und Schnaps die Wirkung von Medikamenten. Das wiederum senkt das Konzentrationsvermögen und die Reaktionsfähigkeit - im Straßenverkehr kann das gefährlich werden.
Alkohol verstärkt die Wirkung vieler Medikamente:
  • Antidepressiva (Mittel gegen Depressionen)
  • Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine
  • Schlafmittel
  • Clomethiazol (ein bei Alkoholentzug angewendetes Medikament)
  • Antikoagulantien (Mittel, die die Blutgerinnung hemmen)
  • Biguanid-Derivate und Insulin (Diabetes-Medikamente)
  • Neuroleptika (Mittel gegen Psychosen)
Nach einer durchzechten Nacht sollten Partygänger auf Acetyl-Salicyl-Säure (ASS) lieber verzichten: Zusammen mit Alkohol kann das Schmerzmittel Magenblutungen verursachen. Für Alkoholiker ist Paracetamol keine Alternative - sie riskieren Leberschäden.
Alkoholabhängige, die einen Entzug mit dem Mittel Disulfiram durchmachen, sollten unbedingt Alkohol meiden. Schon kleinste Mengen können Hitzewallungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Atemnot, Erbrechen oder Herzklopfen auslösen, außerdem kann der Blutdruck abfallen.

Grapefruit

Zurzeit sind mehr als 85 Medikamente verfügbar, die mit Inhaltsstoffen des Grapefruitsaftes interagieren können, vor allem Schmerz-, Schlaf- und Bluthochdruckmittel (Beta-Blocker) sowie Mittel gegen Allergien (Antihistaminika). Grapefruitsaft oder die Frucht selbst greifen in einen Prozess ein, mit dem der Körper bestimmte Medikamente abbaut. Sie können daher die Wirkung eines Medikaments verstärken - sogar, wenn sie erst am folgenden Tag verzehrt werden. Die genannten Mittel wirken wie überdosiert, wenn gleichzeitig Grapfruitsaft eingenommen wird.
Andrerseits verstärken Pampelmusen nicht nur die Wirkung von Arzneien, sondern können ihren Effekt auch verringern. Um kein Risiko einzugehen, sollten Patienten daher ganz auf Pampelmusen verzichten, wenn sie Medikamente nehmen.

Koffein und saure Drinks

Kaffee verträgt sich nicht mit vielen Medikamenten. Das gilt auch für alle anderen Getränke, die Koffein enthalten, etwa für Cola und Tees. Früchtetees sind unbedenklich, aber schwarzer, grüner und Mate-Tee enthalten Koffein. Wer Eisentabletten mit Koffein einnimmt, muss damit rechnen, dass sie schlechter wirken. Denn die Gerbstoffe aus Kaffee oder Tee verklumpen mit dem Eisen im Magen. Es entstehen unlösliche Verbindungen, die der Körper nicht aufnehmen kann. Auch manche Medikamente gegen psychische Probleme, sogenannte Neuroleptika, wirken mit schwarzem Tee schlechter.

Saures und Aluminiumsalze lösen fatale Folgen aus

Medikamente können aber auch dazu beitragen, dass der Körper Koffein schlechter abbauen kann. Das ist bei bestimmten Antibiotika der Fall, bei den sogenannten Gyrasehemmern. Wird das Koffein nicht abgebaut, geht es aufs Herz: Es rast, Patienten werden nervös und können möglicherweise nicht gut schlafen.
Saure Getränke sind bei bestimmten Medikamenten auch nicht ratsam. Sauer sind Limonaden und Obstsäfte, aber auch Sekt und Wein. Nimmt ein Patient zum Beispiel ein Mittel gegen einen übersauren Magen ein, das Aluminiumsalze enthält, und dann etwas Saures trinkt, dann gelangt das Aluminium zu schnell in den Körper. Die Folgen können fatal sein: Blutarmut, Verwirrung und Krampfanfälle bis zum Koma sind möglich. Besonders gefährdet sind Dialysepatienten.

Tabak und Lakritz

Kombiniert mit Arzneien kann Rauchen noch gefährlicher sein, als es eh schon ist. So sollten Raucherinnen über 30 Jahren auf hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille verzichten. Sonst haben sie ein höheres Risiko, Blutgerinnsel zu bekommen und damit einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Die in Tabakrauch enthaltenen polyzyklischen Kohlenwasserstoffe sind dafür verantwortlich, dass der Körper manche Medikamente schneller abbaut: etwa einige Psychopharmaka oder das Asthmamittel Theophyllin.
Lakritz verträgt sich nicht mit Mitteln, die den Körper entwässern, sogenannten Diuretika. Und der Verbrauch von Lakritz in Deutschland ist mit 200 Gramm pro Person im Jahr nicht zu unterschätzen. Wer also viel Lakritz isst und Diuretika einnimmt, muss mit Komplikationen rechnen: Der Körper könnte Natrium und Wasser im Körper zurückbehalten und zu viel Kalium ausscheiden. Die Folgen davon können Wassereinlagerungen im Gewebe, sogenannte Ödeme, eine Erhöhung des Blutdrucks, eine kaliumbedingte Muskelschwäche sowie Herzrhythmusstörungen sein.

Tipps

Es gibt viele Wechselwirkungen zwischen Nahrungsmitteln und Medikamenten. Nicht alle sind bekannt. Lesen Sie immer die Packungsbeilage. Wenn Sie unsicher sind, sollten Sie sich mit Ihrem Arzt oder Ihrer Apothekerin beraten.
Lesen Sie sorgfältig im Beipackzettel nach, ob Sie ein Medikament auf nüchternen Magen einnehmen sollten oder zusammen mit dem Essen. "Vor dem Essen" heißt: mindestens eine halbe bis eine Stunde vor der Mahlzeit. "Nach dem Essen" bedeutet: Sie sollten mindestens eine Stunde warten, bis Sie die Arznei einnehmen - am besten immer mit reichlich Wasser. So vermeiden Sie mögliche Wechselwirkungen mit anderen Getränken. Schmerzmittel wie Acetyl-Salicyl-Säure (ASS) bekommen einem leeren Magen nicht. Essen Sie eine Kleinigkeit, bevor Sie das Mittel einnehmen, und spülen Sie die Tablette mit reichlich Wasser herunter. Das schont auch die Speiseröhre.
Medikamente können die Aufnahme von Nährstoffen verschlechtern. Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine oder Eisenpräparate sollten Sie daher nicht zur gleichen Zeit wie Ihre Medikamente einnehmen. So vermeiden Sie mögliche Wechselwirkungen.
Chronisch Kranke oder Senioren, die mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen, sowie Schwangere und Stillende brauchen mehr Nährstoffe. Arzneimittel können dazu führen, dass der Körper nicht mehr genügend Nährstoffe wie Vitamine oder Spurenelemente aus der Nahrung aufnimmt. Besprechen Sie sich mit Ihrem Arzt, worauf Sie bei Ihrer Ernährung achten müssen.
Constanze Böttcher/Stern.de

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